Verlauf und Entwicklung (Prognose)
Gutartige MS-Formen |
Oft steht die MS in einem negativen Licht, wird gleichgesetzt mit Schicksal im Rollstuhl, so daß eine Veränderung dieser Vorurteile kaum gelingt. Um so wichtiger ist es, daß die , die von der MS betroffen sind, sicher über die sogenannten gutartigen Verlaufsformen informieren - und dies sind immerhin 30-40%. Es kann leider niemand zu Beginn der Erkrankung sagen, ob man zu diesen 30-40% gehört. Der Verlauf einer MS-Erkrankung ist ungewiß und nicht vorhersehbar, obwohl man einschrankend dazu sagen muß, daß bestimmte Formen und Beschwerden mehr oder weniger günstige Verläufe erhoffen lassen. Wie schon gesagt, die MS kann in Schüben verlaufen, das heißt Beschwerden treten auf und verschwinden nach einem mehr oder weniger langen Zeitraum teilweise oder vollständig. Bei ungefähr 40% aller Patienten verläuft die MS in derartigrn Schüben ohne Progredienz.
Schübe ohne Progredienz |
Diese in Schüben verlaufende Form hat einen günstigere Prognose als die folgende: Es gibt nämlich auch Formen, die von Anfang an langsam fortschreiten, ohne daß es zu Rückbildungen der Symptome (Remissionen) kommt. Wir nennen diese Verlaufsform primär-chronisch-fortschreitend. Dies ist bei etwa 10-15% der Patienten der Fall.
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Die schubförmige Verlaufsform kann in eine sekundär-chronische Verlaufsform übergehen. Grundsätzlich ist meist am Anfang der Erkrankung die MS am agressivsten, das heißt die Beschwerden sind am ausgeprägtesten, die Häufigkeit des Wiederauftretens der Beschwerden ist am höchsten. Daß oftmals die günstigeren Verläufe gar nicht beachtet wurden, lag unter anderem auch daran, daß die Patienten mit günstigen Verläufen sich werder beeinträchtigt fühlen, noch regelmäßig zum Arzt gehen, sie leben wie Gesunde unter uns, und niemand käme auf den Gedanken, daß sie an MS erkrankt sind.
Günstigere Verläufe |
Patienten, die einen schweren Verlauf haben, werden eher beim Arzt als im Krankenhaus erscheinen. Aus der Tatsache , daß die anderen Patienten mit günstigeren Verlaufsformen außerhalb der Sichtweise des Arztes sind, haben viele Ärzte (und die geben ja ihre falschen Eindrücke weiter) irrtümlich den Eindruck gewonnen, die MS verlaufe immer besonders schwer. Das ist eben falsch. Es bestehen Hinweise, daß die Verlaufsformen mit Beschwerden, wie zum Beispiel Gefühlsstörungen oder Hirnnervenstörungen, zu beginn eine günstigere Prognose aufweisen, als die Verlaufsformen, bei denen es zu motorischen (die Bewegung betreffenden) Störungen gekommen ist. Die Erkrankungsformen, die zu Beginn schleichend (langsam)beginnen, zeigen einen ungünstigeren Verlauf im Vergleich zu den Formen, die akut (schlagartig) einsetzen. Ungünstiger soll der Verlauf auch bei denen sein, die zu Beginn schwere Symptome durch Befall des Kleinhirns haben. Bei den besonders günstigen Formen der MS sind zum Teil Krankheitsschübe äußerst selten, es können Jahrzehnte zwischen dem ersten und dem zweiten Schub liegen. Aber es gibt auch günstige Formen, die zwar häufige Schübe (Rezidive) haben, jedoch sind diese Schübe kurz, oft in Forn von Kribbelparästesien (Mißempfindungen), Taub und Pelzigsein der Haut, Doppelsehen oder Sehnerventzündung. Aber - und das zeigt die Vielfältigkeit der Verlaufsmöglichkeiten bei der MS - es gibt auch günstige Verläufe, die langsam schleichend über Jahrzehnte Krankheitszeichen entwickeln, ohne daß es je zu einer wesentlichen Beeinträchtigung käme. Einige MS - Fälle sind zufällig erst bei der Autopsie (Leichenschau) überhaupt entdeckt worden, zu Lebzeiten war es bei diesem Menschen niemals zu irgendwelchen MS Beschwerden gekommen.
Lungenentzündung |
Die Lebenserwartung hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gebessert, dies ist am ehesten dadurch bedingt, daß die Komplikationen, insbesondere die Harnweginfekte und Lungenentzündungen durch Medikamente behandelt werden können. Dennoch ist gerade die Lungenentzündung die gefährlichste Komplikation geblieben. Je größer die Behinderung durch die MS ist und je mehr die Gehfähigkeit und damit die Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß es auch zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen kann.
Krankengymnastik, Medikamente |
Um so wichtiger ist es, erneut auf eine konsequente, intensive Behandlung hinzuweisen. Eine Therapie, wie beispielsweise Krankengymnastik oder Medikamente gegen die erhöhte Muskelspannung (Spastik), kann die Bewegunglichkeit verbessern, beziehungsweise wieder herbeiführen und damit eine Reihe der durch mangelhafte Bewegung hervorgerufenen Komplikationen verhindern. Wenn auch eine ursächliche Therapie der MS nicht möglich ist, so ist um so mehr eine Verhinderung oder Behandlung der Komplikationen lebenswichtig. Für die einzelnen Betroffenen von großer Bedeutung ist die Frage: Wie lange kann ich noch laufen? Noch zu Hause leben? Leider wird niemand in der Lage sein können, Ihnen hierüber zuverlässige Angaben zu machen.
Vorhersagen über die Entwicklung |
Es sind zwar, was den zukünftigen Verlauf betrifft, nach etwa 5 Jahren Krankheitsdauer in eingeschränkten Maße gewisse Vorhersagen möglich. Jedoch gilt dies eher bei den schlechteren Verlaufsformen, während die günstigeren Verlaufsformen sich meist erst nach 10-15 Jahren herausstellen. Es ist letzlich nichts anderes übrig, als die Ungewissheit über den eigenen Krankheitsverlauf anzunehmen: die Hoffnung einerseits zu hegen, zu den Patienten mit günstigem Verlauf der MS zu gehören, der Wahrheit andererseits ins Auge zu schauen. Die Zukunft wird ein Leben auf dem Pulverfaß sein, und möglicherweise sind Einschränkungen durch die MS zu bewältigen. Judy Graham schreibt in ihrem Buch „Mutiple Sklerose und doch nicht verzweifeln dazu: „Sie könnten nun privat die Hölle erleben und Ihr furchtbares Los bejammern. Sie können sich aber entschließen, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um die Krankheit zu bekämpfen und sich selbst zu helfen.